24.10.2012
Nach dem idyllisch verschlafenen Landleben in Kong Lor beschert uns die Ankunft in Vientiane, der Hauptstadt von Laos, doch fast einen kleinen Kulturschock. Mit nur 800‘000 Einwohnern zählt die Stadt zwar noch lange nicht als Grossstadt, doch der Unterschied zum Landleben ist enorm.
Am frühen Samstagabend kommen wir in Vientiane an. Während dem Abendessen in einem kleinen Restaurant am Mekong stellen wir uns Fragen, die in den letzten Tagen in uns aufgekommen sind: Wie wird dieses Land aussehen, wenn erst mal der Massentourismus angekommen ist? Werden die kleinen Kinder immer noch so sorglos am Strassenrand hüpfen und winken, wenn ein „Falang“ durchfährt? Was wird aus dem friedlichen Dörfchen Kong Lor, in dem die Bagger schon unermüdlich eine grosse Anlegestelle für noch mehr Boote bauen? Hier in Vientiane meinen wir zu spüren, wie viele Laoten bereits etwas desillusioniert und abgelöscht sind. Einige Touristen fallen auf durch lautes Verhalten oder unangemessene Bekleidung; wird es Laos gelingen, in all den Veränderungen seine Kultur beizubehalten? Irgendwo dazwischen stehen wir: auch wir sind Falangs, auch wir sind Touristen. Wir möchten möglichst viel sehen, möglichst authentisch, exotisch. Der (Massen-)Tourismus wirkt eine Nummer zu gross für Laos, mit einem typischen Tier von Laos gesprochen: ein Elefant im Porzellanhaus.
Am Sonntagmorgen benötigen wir erstmals einen starken Kaffee, um uns mit einem Thema zu konfrontieren, von dem viele Menschen ausserhalb von Laos keine Ahnung haben, ein Skandal: Laos ist das am stärksten bombardierte Land in der Geschichte der Welt. Zwischen 1964 und 1972, während dem Vietnamkrieg, wurden durchschnittlich 2.5 Tonnen Bomben pro Einwohner auf Laos abgeworfen. Als die amerikanische Regierung während dem Vietnamkrieg realisierte, dass sie den Krieg so nicht gewinnen können, versuchten sie die Nachschubnetze des Ho Chi Minh Trails, der grösstenteils durch Laos führt, durch Flächenbombardierungen zu kappen. Diese Tatsache hat weitreichende Folgen bis heute: Gut 30% des Kriegsmaterials ist beim Aufprall nicht explodiert und steckt zum Teil heute immer noch im Boden. Rund 25% aller Dörfer sind von einer allgegenwärtigen Gefahr betroffen: Auf dem Feld, im Wald, ums Haus, überall können Blindgänger liegen, die bei Einwirkung von aussen (Druck, Hitze, Erschütterung) explodieren können. Bis heute wurden so 50‘000 Menschen von UXO (Unexploded ordnance) verletzt oder getötet.
Das COPE-Center in Vientiane informiert über die Geschichte von Laos und die Problematik mit UXO. Jeden Tag rücken speziell ausgebildete Gruppen aus, um Bomben zu lokalisieren und zu entschärfen. Die am meisten betroffenen Gegenden sind die politische Ziele, die Provinz Xiengkhuang und der Ho Chi Minh Trail im Südosten des Landes. Oft ist es die ländliche, ärmere Bevölkerung, die am meisten unter UXO leidet: Sie sind abhängig von der Vieh- und Landwirtschaft, also den ganzen Tag auf den Feldern und in den Wäldern. Bei Unfällen, wo zB ein Bein amputiert werden muss, gibt es keine staatliche Unterstützung. Arbeitsunfähigkeit hier bedeutet bittere Armut.
Brisant in dem Ganzen ist die Tatsache, dass von der Flächenbombardierung von Laos zu diesem Zeitpunkt nicht einmal das amerikanische Parlament, geschweige denn die Öffentlichkeit, wusste. „The secret war“ machte Laos zum weltweit stärksten bombardierten Land ohne dass jemand etwas davon wusste. Traurig auch die Tatsache, dass bis heute aus öffentlicher Hand der USA keine Unterstützung zur Beseitigung der UXO - ihrer Altlasten - kommt (dafür von zahlreichen NGOs, auch aus den USA). Seit diesem Jahr hat die Schweiz nach kontroversen Diskussionen ein Abkommen ratifiziert, welches den Einsatz und Besitz von Streumunition verbietet. Leider haben wichtige Staaten wie die USA, China, Russland und Israel dieses Abkommen nicht unterschrieben und setzen Streumunition weiterhin ein.
Nach diesem bewegenden Aufenthalt in Vientiane machen wir uns auf nach Luang Prabang, weiter im Norden. Für die lange und teilweise holprige Fahrt werden wir mit wunderschöner abwechslungsreicher Berglandschaft und eindrücklichen Lichtverhältnissen entschädigt.
After the idyllic sleepy country life in Kong Lor, we almost suffer from a little culture shock at the arrival in Vientiane, the capital of Laos. With only 800,000 inhabitants, the city is by no means a big city, but the difference to rural life is enormous.
We arrive in Vientiane early Saturday evening. During dinner in a small restaurant on the Mekong, we ask ourselves questions that have arisen in the past few days: What will this country look like once mass tourism has arrived? Will the little children still bounce and wave so carefree when a “Falang” drives by? What will become of the peaceful village of Kong Lor, in which the excavators are tirelessly building a large jetty for even more boats? Here in Vientiane, we think we can feel how many Lao people are already somewhat disillusioned about tourism. Some tourists stand out due to loud behavior or inappropriate clothing; will Laos succeed in maintaining its culture in all the changes? We are somewhere in between: we are Falangs too, we are tourists too. We want to see as much as possible, as authentically as possible. The (mass) tourism seems a bit too big for Laos. Expressing it with a typical animal from Laos: mass tourism in Laos is like an elephant in the porcelain house.
On Sunday morning we need a strong coffee first to later confront ourselves with a subject that many people outside of Laos have no idea about, a scandal: Laos is the most heavily bombed country in the history of the world. Between 1964 and 1972, during the Vietnam War, an average of 2.5 tons of bombs were dropped on Laos per inhabitant. When the American government realized during the Vietnam War that they could not win the war in this way, they tried to cut off the supply networks of the Ho Chi Minh Trail, which runs largely through Laos, by bombing the whole area. This fact has far-reaching consequences to this day: A good 30% of the material did not explode on impact and is still in the ground today. Around 25% of all villages are affected by an ubiquitous danger: unexploded ordnance can lie anywhere in the field, in the forest, around the house, and it can explode when exposed to external influences (pressure, heat, vibration). To date, 50,000 people have been injured or killed by UXO.
The COPE center in Vientiane provides information about the history of Laos and the problems with UXO. Specially trained groups move out every day to locate and defuse bombs. The most affected areas are the political targets, Xiengkhuang Province and the Ho Chi Minh Trail in the southeast of the country. It is often the rural, poorer population that suffers most from UXO: they are dependent on livestock and agriculture and they work all day in the fields and in the forests. In the event of an accident, for example where one leg has to be amputated, there is no state support. Inability to work here means bitter poverty.
Another controversial aspect of this topic is that not even the American Parliament, let alone the public, knew about the bombing of Laos at that time. "The secret war" made Laos the world's heavily bombed country without anyone knowing about it. It is also sad that there is still no public support from the United States for the removal of UXO, its legacies. However, numerous NGOs, including some from the United States, are supporting the local population. After controversial discussions, Switzerland has ratified an agreement this year that prohibits the use and possession of cluster munitions. Unfortunately, important states such as the USA, China, Russia and Israel have not signed this agreement and continue to use cluster munitions.
After this emotional time in Vientiane we head to Luang Prabang, further north. We are compensated for the long and sometimes bumpy ride with beautiful mountain scenery and impressive clouds.