07.09.2015
Nach unserem Abstecher an den Golf von Mexiko fahren wir weiter in 2 der schönsten Provinzen Mexikos: Oaxaca und Chiapas. In den beiden gleichzeitig auch ärmsten Provinzen Mexikos erhalten wir auch Einblick in die sozialen Probleme insbesondere die der ländlichen und/oder indigenen Bevölkerung, wie glücklicherweise auch in einige ihrer Lösungsansätze.
Unser Weg vom Meer nach Oaxaca (ausgesprochen: Oahaka) führt uns über ein Gebirgsmassiv von 3000 Metern. Eine spannende Fahrt! Auf Meerseite der Dschungel: Herabhängende Lianen, feuchtschwüle Luft und exotischer Vogelgesang (es soll hier auch die farbenfrohen Tukane geben, die sich uns jedoch nicht zeigen). Als wir uns dem Gipfel nähern, kommen wir auf einmal in den Nebel, die Temperatur sinkt merklich und es fängt an zu regnen. Auf dem Pass fröstelt es uns dann schon gehörig und die nasse Kleidung macht es auch nicht gerade besser. Der Regen hört erst etwa eine Stunde später auf. Auf der Inlandseite dann treffen wir auf schon fast mediterran anmutende Vegetation. Immer wieder staunen wir, wie sich hier in Mexiko alles innerhalb weniger Kilometer ändern kann: Die Temperatur, das Wetter, die Vegetation, einfach alles. Der Film unten gibt euch einen Einblick in die wunderschöne Fahrt durch den Dschungel.
Oaxaca inspiriert uns: Die Stadt, umringt von Hügeln und Tälern sprüht vor Leben und ist doch geruhsam. Auf dem Hauptplatz, dem Zocalò ist immer etwas los: Strassenkünstler mit Gitarre, Marimba oder Panflöte buhlen gemeinsam mit einer Vielzahl an Strassenverkäufern und Unterhaltungskünstlern um die Aufmerksamkeit des reichlich vorhandenen Publikums, das mal anteilnehmend einen Kreis bildet und mal das Spektakel aus sicherer Warte im Restaurant beobachtet. Auch kulturell hat die Stadt vieles zu bieten, das uns interessiert. Das Centro Fotografico Alvarez Bravo zeigt sozialkritische Dokumentationen von internationalen Fotografen, im Insituto de Artes Graficas de Oaxaca ist nicht nur die zeitgenössische Grafikausstellung, sondern im gleichen Masse auch das Gebäude spannend, gleich wie auch im Museo Textil de Oaxaca, das eindrücklich die vielfältige Handwerkskunst der Provinz abbildet. Diese zeigt sich auch im wohl bisher farbenprächtigsten Markt. Die Masse an Gewobenen und Gestickten mit Maya Symbolik vermischt mit zeitgenössischem Stil haut uns fast um.
Und doch geht auch die Zeit in Oaxaca um: Die Morgensonne scheint auf uns als wir uns von dieser beeindruckenden Stadt verabschieden. Doch kaum ein paar Kilometer gefahren, ist auf einmal die Strasse blockiert. Traktore und Mototaxis lassen den Verkehr nicht durch, es gibt eine Umleitung. Wir fragen kurz nach, was denn da los sei - „Ein Konflikt mit der Regierung“ hören wir kurz angebunden. An der nächsten Strassenblockade wollen wir mehr wissen, die Streikenden sehen nach Bauern aus. Wir steigen also ab, gesellen uns zu ihnen und fragen genauer nach. Diesmal freuen sich die Bauern über unser Interesse und teilen ihre Anliegen mit uns: Die lokale Regierung unterstützt sie nicht, es mangelt an allen Ecken und Enden - Arbeitsinstrumente, Treibstoff, gerechte Preise. Die Verzweiflung ist den Bauern ins Gesicht geschrieben. „Es geht um die Existenz meiner Familie“, erzählt ein junger Bauer und die Runde nickt. Es ist der erste Tag des Streiks, bisher ist eine Reaktion seitens der Autoritäten ausgeblieben. Wir plaudern noch eine Weile - natürlich gibt unser Motorrad, unsere Herkunft und auch die Situation der Bauern in der Schweiz einigen Gesprächsstoff - und verabschieden uns dann, nicht ohne den Bauern von Herzen alles Gute zu wünschen. Nachdenklich über ihre Situation und glücklich, dass unsere Spanischkenntnisse mittlerweile solche Gespräche zulassen, fahren wir weiter. Bemerkenswert übrigens auch, dass die Bauern Europa nicht durch die rosarote Brille sehen, sondern uns als erstes auf die drängenden Probleme ansprechen: Konfliktherde im Nahen Osten und die Flüchtlingskatastrophe, auch Griechenland und Spanien werden genannt.
Ins Auge stechen uns während der Weiterfahrt wie auch schon zu früheren Momenten die vielen Schilder in den Feldern mit einschlägigen Namen: Syngenta, Pioneer-Dupont, Dow, etc - all die grossen Agromultis. Eine google Recherche zeigt uns: Lateinamerika ist tatsächlich der wichtigste Abnehmer von Syngenta-Produkten. Prekär auch, dass von Syngenta in Mexiko immer noch Paraquat verkauft wird - dieses gefährliche Pestizid ist in der Schweiz seit 30 Jahren verboten! Es wird vermutet, dass Paraquat mitverantwortlich ist für ein übermässiges Auftreten von chronischem Nierenversagen in Mittelamerika. Wer sich für die Thematik interessiert, dem empfehlen wir die Erklärung von Bern (heute Public Eye), die sich seit Jahren gegen Paraquat einsetzt. Und natürlich auch hier wieder der Hinweise auf die Konzernverantwortungsinitiative, die Multis wie Syngenta zur Verantwortungsübernahme zwingen wird.
Da sich Mexiko gegen Süden immer mehr verengt, erstaunt es nicht, dass unsere nächste Station wieder am Meer ist - diesmal aber wieder am Pazifik. In Mazunte lassen wir in der Hängematte die Seele baumeln, geniessen nach langem mal wieder Pasta (mit frischen Meeresfrüchten) und lassen uns von den grossen Wellen durchsprudeln. Die Gedanken gelten auch dem bald nahenden Abschied von Mexiko: Nach einem Monat in diesem eindrücklichen Land wird es bald nach Guatemala weitergehen.
Die letzte Station ist San Cristòbal de las Casas. Knapp ein Viertel der Bevölkerung der Provinz Chiapas gehört einer indigenen Volksgruppe an. Einen Einblick in ihr Leben erhalten wir auf der Fahrt nach San Cristobal. In der bergigen Region nordwestlich der Stadt fahren wir durch mehrere Dörfer der Tzotzil-Mayas. Die Frauen sind traditionell gekleidet, meist in Violetttönen und mit reich bestickten Blusen und Röcken. Wir kommen auch an einem Trauerzug vorbei, ein ganzes Dorf folgt dem Auto mit dem Sarg. Es sind diese Momente, in denen wir es einerseits sehr geniessen, überhaupt so etwas zu sehen zu bekommen, andererseits würden wir dann jeweils am liebsten nur auf Zehenspitzen nebenherschleichen, statt mit lautem Motor vorbeizufahren.
In den Dörfern ist die Armut sichtbar, unter der besonders die indigenen Völkergruppen leiden. Ein Paradox, über das wir uns schon in so vielen Ländern den Kopf zerbrochen haben: Wie können diese traditionellen Lebensweisen in einem Rahmen nachhaltig geschützt werden, dass sie nicht verloren gehen und sich dennoch die Lebensumstände (Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger) verbessern? Eine mögliche Antwort darauf finden wir im Kaffeemuseum von San Cristobal. Nach einer langen Geschichte von Unterdrückung und Versklavung der indigenen Bevölkerung ist heute der Kaffeemarkt von Chiapas weitgehend in indigenen Händen und zwar auf eine nachhaltige Art und Weise. In Kooperativen zusammengeschlossen verfolgen die Klein- und Kleinstbetriebe das Ziel, eine indigene Autonomie aufzubauen und so ihre Existenz langfristig zu sichern. Der im Familienbetrieb und nach Fairtrade und ökologischen Grundsätzen gewonnene Kaffee hat schon manche Familie vor der Migration in die USA oder in die Grossstädte gerettet. In der Schweiz wird der Kaffee aus Chiapas beispielsweise unter dem Namen Café RebelDia im Claro oder diversen Bioläden verkauft. Vielleicht unterstützt ihr die indigenen Familien ja bei eurem nächsten Kaffeekauf?
After our detour to the Gulf of Mexico, we continue to 2 of the most beautiful provinces in Mexico: Oaxaca and Chiapas. In the two provinces, that are at the same time the poorest provinces of Mexico, we also get an insight into the social problems, especially those of the rural and / or indigenous population, and fortunately also into some of their solutions.
Our way from the sea to Oaxaca leads us over a mountain range of 3000 meters. An exciting ride! On the sea side of the jungle: drooping lianas, humid air and exotic birdsong (apparently there are also colorful toucans here, but they don't show themselves to us). As we approach the summit, we suddenly come into the fog, the temperature drops noticeably and it starts to rain. On the pass, we start shivering and the wet clothes don't make the situation any better. The rain doesn't stop until about an hour later. On the inland side we come across almost Mediterranean-looking vegetation. Again and again we are amazed at how everything can change within a few kilometers here in Mexico: the temperature, the weather, the vegetation, simply everything. The film below gives you an insight into the wonderful journey through the jungle.
Oaxaca inspires us: The city, surrounded by hills and valleys, is bursting with life and is yet so peaceful. There is always something going on on the main square, the Zocalò: street performers with guitars, marimbas or panflutes compete with a large number of street vendors and entertainers for the attention of the abundant audience, which sometimes forms a sympathetic circle and sometimes observes the spectacle from a safe place in a restaurant nearby. The city also has a lot to offer culturally that interests us. The Centro Fotografico Alvarez Bravo shows socially critical documentations by international photographers, in the Insituto de Artes Graficas de Oaxaca not only the contemporary graphics exhibition, but also the building is exciting, just like the Museo Textil de Oaxaca, which impressively shows the diverse craftsmanship of Province. More insights we also get at the what is probably the most colorful market that we have been to to date. The mass of woven and embroidered items with Mayan symbolism mixed with contemporary style almost blows us away.
And yet time is passing by in Oaxaca: The morning sun shines on us as we say goodbye to this impressive city. But hardly driven a few kilometers, the road is suddenly blocked. Tractors and mototaxis do not let traffic through. When we ask what is going on, we hear briefly “A conflict with the government”. At the next road blockade we want to know more, the strikers look like farmers. So we stop, join them and ask more questions. This time the farmers are happy about our interest and share their concerns with us: The local government does not support them, there is a lack of everything - working tools, fuel, fair prices. Despair is written on the farmers' faces. “It's about the existence of my family,” says a young farmer, and everyone nods. It is the first day of the strike and so far there has been no reaction from the authorities. We chat for a while longer - of course our motorcycle, our origins and also the situation of the farmers in Switzerland are a lot to talk about - and then say goodbye, not without wishing the farmers all the best. Still thinking about their situation and happy that our knowledge of Spanish now allows such conversations, we continue the ride. It seems remarkable to us that the farmers do not see Europe through rose-colored glasses, but rather talk to us first about the urgent problems: hot spots in the Middle East and the refugee crisis, also the situation in Greece and Spain are mentioned.
As we continue our journey, as in earlier moments, we can not help but noticing the many signs in the fields with names like Syngenta, Pioneer-Dupont, Dow, etc. - all the big corporations. A google research shows us: Latin America is actually the most important buyer of Syngenta products. It is also precarious that Syngenta is still selling paraquat in Mexico - this dangerous pesticide has been banned in Switzerland for 30 years! It is believed that paraquat is partly responsible for an excessive incidence of chronic kidney failure in Central America. If you are interested in the subject, we recommend the Berne Declaration (today called "Public Eye", which has been campaigning against paraquat for years. And of course here again the reference to the "Responsible business initiative" (Corporate Justice), which will hopefully force multinationals like Syngenta to take on more responsibility.
Since Mexicos land mass narrows more and more towards the south, it is not surprising that our next stop is again at the sea - but this time again on the Pacific. In Mazunte we take a break in the hammock, enjoy pasta (with fresh seafood) again after a long time and enjoy the big waves of the sea. Sometimes our thoughts head to the approaching farewell to Mexico: After a month in this impressive country, we will soon move on to Guatemala.
The last stop is San Cristòbal de las Casas. Almost a quarter of the population of Chiapas province belongs to an indigenous group. We get an insight into their life on the drive to San Cristobal. In the mountainous region northwest of the city we drive through several villages of the Tzotzil Mayas. The women are traditionally dressed, mostly in shades of purple and with richly embroidered blouses and skirts. We also pass a funeral procession, a whole village follows the car with the coffin. These are the moments in which we really enjoy experiencing something like this on the one hand, and on the other hand we would prefer to sneak around on tiptoe instead of driving past with a loud engine.
In the villages, the poverty is visible, from which the indigenous peoples in particular suffer. A paradox that we have been racking our brains over in so many countries: How can these traditional ways of life be protected in a sustainable manner in such a way that they are not lost and living conditions (poverty, unemployment, hunger) still improve? We can find a possible answer to this in the Coffee Museum of San Cristobal. After a long history of oppression and enslavement of the indigenous peoples, today the Chiapas coffee market is largely in indigenous hands and managed in a sustainable manner. Collaborating in cooperatives, the small businesses pursue the goal of building indigenous autonomy and thus securing their long-term existence. The coffee, which is made in a family business and according to fair trade and ecological principles, has already saved many families from migrating to the USA or the big cities. In Switzerland, for example, coffee from Chiapas is sold under the name of Café RebelDia in Claro or in various organic shops. Perhaps you will support the indigenous families with your next coffee purchase?