11.05.2013
Die Wüste Thar, wunderschön und gnadenlos. Hier besuchen wir die berühmte Wüstenstadt Jaisalmer, verbringen Zeit im grossen Fort und lernen 3 Kamele kennen, die einfach nichts aus der Ruhe bringt.
Der Horizont ist gross und die Weite endlos. Hinter uns geht die Sonne auf, Pfaue stolzieren am Strassenrand und einige Gazellen flüchten flink vor dem Motorengeräusch. Wir fahren durch die Wüste Thar, die in diesem Gebiet noch als Dornsavanne bezeichnet wird und erstaunlich besiedelt und landwirtschaftlich genutzt ist. Noch am Vormittag erreichen wir unser Ziel: Aus dem Dunst taucht das Sandstein-Fort von Jaisalmer wie eine Fata Morgana auf. Zu seinen Füssen liegt das Städtchen, in welchem wir die nächsten Tage verbringen werden.
Jaisalmer ist eine Wüstenstadt wie aus dem Bilderbuch. Durch die engen, goldfarbenen Gässchen wehen allerlei Gerüche, gegerbtes Kamelleder, Kardamom, Seide und frisch gemahlenes Mehl. Die Architektur der Havelis (Altstadthäuser) ist mit Luftkanälen und engen Fluren schon vor Jahrhunderten auf die heissen Temperaturen angepasst worden. Einzig am Mittag, wenn die Sonne im Zenit steht und gnadenlos brennt, bieten auch die Gassen keinen Schutz mehr vor der Hitze. Abends jedoch lässt es sich auf den zahlreichen Dachterrassen wieder gut aushalten. Mit nunmehr gesunder Magen- und Darmflora geniessen wir das indische Essen noch mehr als je zuvor. Mai und Juni gelten als Nebensaison, da dies die heissesten Monate sind. Entsprechend haben wir die Stadt fast für uns und überall werden wir als Gäste sehr gerne empfangen. Anders als die bisher besuchten Forts ist dasjenige von Jaisalmer auch bewohnt: Läden, Restaurants und Wohnhäuser beleben die alten Mauern. Am Freitag brechen wir auf, um noch weiter in die Wüste zu gelangen. Mit einem Guide und drei äusserst liebenswürdigen Kamelen geht es morgens los: Ziel ist es, abends eine Ansammlung an Dünen zu erreichen, wo wir die Nacht verbringen werden.
Bald verfallen wir in den Rhythmus der Kamele, Schritt um Schritt um Schritt. Schwankend, gleichmässig und unbeirrbar bewegen sich die Tiere vorwärts, die Augen wachsam, beschattet von ihren langen Wimpern. Gegen Mittag erreichen wir den Baum, unter dessen dichtem Geäst auch in der grössten Hitze etwas Kühle erhalten bleibt. Es ist still, die Wüste verharrt. Blickt man in die Ferne, kann man die Luft flirren sehen. Unter dem Baum werden wir bekocht und machen danach eine ausgiebige Ruhepause, bis am Nachmittag die Hitze etwas zurückgeht und eine leichte Brise aufzieht. Dies ist für uns das Zeichen, weiterzuziehen. Bald schon können wir in der Ferne die Dünen ausmachen.
Am Fusse einer leichten Böschung entladen wir die Kamele – sie haben für heute ihre Arbeit getan und sind frei. Auf der Suche nach grünen Zweigen ziehen sie davon, kehren jedoch bald zurück, denn der Sack Kamelfutter im Gepäck ist ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen. So mahlen sie wenig später in aller Seelenruhe ihr Futter, ihre Kiefer hin und her bewegend und den Blick abwesend in die Ferne geschweift. Unser Guide fängt an zu kochen. Während wir die Dünen erkunden, verstärkt sich der Wind, Wolken sind aufgezogen, die Sonne verschwindet. Die Kamele kauen unverdrossen. Die Wolken werden dunkler und kommen näher, wir sprechen von Regen, der Guide spricht von Wind. Die Kamele sagen nichts und fressen weiter. Der Wind erstarkt, Sandböen werden aufgewirbelt, wir ziehen unseren Turban an, bedecken Mund und Nase und schauen besorgt in den Himmel. Die Kamele nehmen den nächsten Sack Futter in Angriff. Der Sturm zieht auf, der Wind pfeift und man sieht keine hundert Meter mehr, Sand prasselt auf uns nieder. Ausgerissene Büsche fliegen durch die Luft, wir schauen und staunen und halten unseren Turban fest. Ein mittelgrosser Busch landet zwischen den Füssen der Kamele – sie treten ihn zur Seite und fressen seelenruhig weiter, während ihnen der Sand um die Ohren fliegt. Der Guide weist uns an, alles Material unter der Plastikplane zu verstauen, die ersten schweren Tropfen fallen und es geht nicht lange, bis es schüttet. Wir retten uns unter die Plane. Die Kamele fressen ohne mit der Wimper zu zucken weiter, bis ihr Futtersack vom Wind zugeweht wird. Sie wenden sich beleidigt ab und suchen den nächsten Baum um dort weiterzufressen. Wir halten die Plane, die vom Wind hin und hergeschüttelt wird, es blitzt und donnert.
Eine halbe Stunde später ist der Spuk vorbei. Die Kamele fressen immer noch.
Später erfahren wir: Seit 40 Jahren hat es in Jaisalmer im Mai nicht mehr geregnet. Den Kamelen ist sogar das egal – ihre stoische Ruhe, die sie sich von nichts und niemandem nehmen lassen, beeindruckt uns. Die Nacht wird dann doch noch klar. Bis wir unser Nachtlager aufgebaut haben, zeigen sich schon die ersten Sterne, wenig später sind auch die letzten Wolken weggefegt und wir bekommen den einzigartigen Sternenhimmel zu sehen, den es wohl nur in der Wüste gibt. Es ist eine ruhige Nacht, die einzig unterbrochen wird vom konstanten Kiefermahlen der Kamele – irgendwann muss man schliesslich wiederkäuen…
The Thar desert, beautiful and merciless. Here we visit the famous desert city of Jaisalmer, spend time in the big fort and get to know 3 camels who are not ruffled by anything and anyone.
The horizon is big and the space endless. The sun rises behind us, peacocks strut along the roadside and some gazelles flee quickly from the noise of the engine. We drive through the Thar desert, which in this area is still classified as a thorn savannah and is astonishingly populated and used for agriculture. We reach our destination in the morning: the sandstone fort of Jaisalmer emerges from the haze like a mirage. At its feet lies the little town in which we will spend the next few days.
Jaisalmer is a desert city straight out of a picture book. All kinds of smells waft through the narrow, gold-colored streets, tanned camel leather, cardamom, silk and freshly ground flour. The architecture of the havelis (old town houses) with air ducts and narrow corridors was adapted to the hot temperatures centuries ago. Only at noon, when the sun is at its zenith and burns mercilessly, the streets no longer offer any protection from the heat. In the evening, however, it is easy to relax on the numerous roof terraces. With our stomach and intestinal flora finally being healthy again, we enjoy Indian food even more than ever before. May and June are considered the low season as these are the hottest months. Accordingly, we have the city almost to ourselves and we are very happily received as guests. Unlike the other forts that we visited so far, the one in Jaisalmer is also inhabited: shops, restaurants and houses animate the old walls. On Friday we set out to get even further into the desert. We set off in the morning with a guide and three extremely amiable camels: The goal is to reach a collection of dunes in the evening, where we will spend the night.
Soon we follow the rhythm of the camels, step by step by step. The animals move forward swaying, steadily and steadfastly, their eyes watchful, shaded by their long eyelashes. Around noon we reach the tree, under whose dense branches some coolness remains even in the greatest heat. It is quiet, the desert pauses. If you look into the distance, you can see the air shimmer. Together with our guide we eat lunch under the tree and then take a long break until the heat subsides in the afternoon and a light breeze comes up. This is the sign for us to move on. Soon we can make out the dunes in the distance.
At the foot of a slight slope we unload the camels - they have done their job for today and are now free. They move away and roam in search of green branches, but soon return because the sack of camel food in their luggage has not escaped their attention. So a little later they calmly grind their fodder, moving their jaws back and forth and looking absently into the distance. Our guide starts to cook. As we explore the dunes, the wind intensifies, clouds have come up, the sun is disappearing. The camels chew relentlessly. The clouds are getting darker and closer, we speak of rain, the guide speaks of wind. The camels say nothing and continue to eat. The wind grows stronger, sand gusts are thrown up, we put on our turban, cover our mouth and nose and look anxiously at the sky. The camels tackle the next sack of fodder. The storm is coming, the wind is whistling and you can't see a hundred meters anymore, sand pelts down on us. Torn bushes fly through the air, we look and marvel and hold on to our turban. A medium-sized bush lands between the feet of the camels - they kick it to the side and calmly continue to eat while the sand flies around their ears. The guide instructs us to stow all material under the plastic tarpaulin, the first heavy drops fall and it doesn't take long before it pours. We escape under the tarpaulin. The camels continue to eat without batting an eyelid until their feed sack is blown in the wind. They turn away offended and look for the next tree to continue eating. We hold the tarpaulin, which is shaken to and fro by the wind, there is lightning and thunder.
Half an hour later the spook is over. The camels are still eating.
Later we find out: It has not rained in Jaisalmer in May for 40 years. But the camels don't even care - we are impressed by their stoic calm. At night the sky clears up after all. By the time we have set up our night camp, the first stars are already showing, a little later the last clouds have been swept away and we get to see the unique starry sky, which probably only exists like this in the desert. It's a quiet night, which is only interrupted by the constant jaw-grinding of the camels - at some point you have to chew the cud after all...