21.05.2013
Nun geht es Schlag auf Schlag: In Mumbai, unserem nächsten Ziel, bereiten wir die Verschiffung unseres Motorrades vor. Unsere Reisepläne ändern sich hiermit noch einmal - die Flexibilität haben wir uns unterdessen zu unserem ständigen Reisebegleiter auserkoren. Die letzten paar Tage verbringen wir nun noch im ruhigen tropischen Goa südlich von Mumbai.
Von der Wüstenstadt Jaisalmer an die Küstenstadt Mumbai sind es über 1‘000km. Unsere optimistische bis naive Zeitplanung, als wir vor über zwei Monaten am Anfang unserer Indienreise von Kalkutta in Richtung Norden losfuhren noch gut in Erinnerung, realisieren wir schnell, dass wir auf dieser schwach befahrenen und gut unterhaltenen Strasse komfortabler als damals vorankommen werden. Der erste Fahrtag führt uns weitgehend durch die Wüste, die nur sporadisch von kleinen Busch- und Baumansammlungen unterbrochen wird. Die Leute hier leben hauptsächlich von Vieh- und der spärlich möglichen Landwirtschaft. Nicht selten kreuzen grosse Herden von vielleicht 300 Tieren die Strasse. Am frühen Nachmittag erreichen wir eine kleine Stadt mit mehreren bequemen Gästehäusern. Nachdem wir in fünf Hotels kein freies Zimmer finden, wundern wir uns doch: Man erklärt uns, dass jetzt Hochzeitsaison ist und nicht selten eine Gesellschaft ein ganzes Hotel reserviert. Etwas ausserhalb finden wir dann doch noch ein Plätzchen zum Übernachten. Am nächsten Morgen gehen wir früh los, wie immer wenn wir mit dem Motorrad unterwegs sind. Schon bald erreichen wir den Highway, wir kommen gut voran aber das Fahren wird entsprechend auch ein wenig eintöniger.
Sobald wir in Meeresnähe kommen, ändert sich das Klima: Auf eine Distanz von etwa 100km verwandeln sich die Farben von braun und beige der Wüste ins Grün der Subtropen. Ein Paradebeispiel für die Vielseitigkeit des Riesenlandes Indien, insbesondere, wenn wir uns daran erinnern, vor nicht mal drei Wochen noch im Himalaja gefroren zu haben. Wir übernachten etwa 200km nördlich von Mumbai nochmal, so dass wir am nächsten Tag am Morgen in die Millionenstadt reinfahren können. Mumbai ist eine an der Küste entlang in die Länge gezogene Stadt und wir müssen quer hindurch, um ins Zentrum zu kommen. Im Gegensatz zu Kalkutta oder Delhi gibt es hier keine Metro, die die Strassen entlasten könnte und wir kommen auch auf etwa 5-6 spurigen Strassen (so genau kann man das hier nicht sagen) nur schleppend voran. Das feuchte Klima, die brennende Sonne und die überfüllten Strassen bringen uns an unsere Grenzen. Geschlagene drei Stunden brauchen wir von den Aussenbezirken ins Zentrum. Dort kommen wir fix und fertig und im wahrsten Sinne des Wortes bachnass an. Nach dem wir ein Plätzchen für uns und unser Motorrad gefunden haben, gehen wir noch am Nachmittag desselben Tages ins Büro der Verschiffungsagentur, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
Die Verantwortlichen legen uns nahe, nicht in den Iran zu verschiffen sondern nach Dubai. Auf Grund der Sanktionen gegen den Iran gebe es nur noch wenige Schiffsgesellschaften, die den Iran anfahren. Entsprechend sei das Risiko relativ gross, dass unser Container in Dubai, wo jede Fracht in den Iran sowieso umgeladen wird, stecken bleiben könnte. Von Dubai gibt es jedoch eine Fähre in den Iran und da der Flug nach Dubai einen Bruchteil von dem in den Iran kosten wird, ist das wohl alles in allem eine gute Alternative.
Wir verlieren keine Zeit und einen Tag später fährt Simon in einen Aussenbezirk von Mumbai um unsere Transalp und einige Gepäckstücke zum Verpacken abzugeben. Der Weg zurück ins Zentrum nun ohne Motorrad, bedeutet eine 1½ Stunden Zugfahrt mit einem richtigen indischen Zug. Sehr charmant ist es, sich die vorbeiziehende Landschaft stehend an der offenen Türe mit dem Fahrtwind im Gesicht anzusehen. Diese Fahrt durch die Aussenbezirke rückt das Bild von der Stadt Mumbai auch wieder ein wenig zurecht: Das Zentrum ist durch wunderschöne alte Baumalleen grün, die Strassen verhältnismässig sauber und die Polizei und andere Sicherheitsbehörden omnipräsent während sich in den Vororten trostlose Plattenbauten und noch trostlosere Slums abwechseln und hier vor allem die Armut und die verheerende Umweltverschmutzung omnipräsent sind. Im Zentrum erinnern uns vor allem die verwahrlosten Strassenkinder und Bettler an das Paradox des Indischen Aufschwungs.
Den nächsten Tag verbringen wir noch bei gemütlichem Spazieren durch die Strassen und stürzen uns am Abend in ein neues Abenteuer: Der Nachtzug nach Goa. Wie ein eigenes kleines Universum holpert der Zug Richtung Süden. Während wir langsam südlich tuckern, erleben wir das indische Zugleben, das wie ein eigenes kleines Universum scheint. Es gibt die Sleeperklasse, wo es Betten (bzw Pritschen) hat, jeweils 3 übereinander. Jedoch sind die Grenzen zur “Holzklasse” fliessend, so ist schlussendlich auch der ganze Boden mit schlafenden Körpern bedeckt. In Indien ist man wahrlich nie alleine! Die Ventilatoren an der Decke, die offenen Fenster und die langsam einkehrende Ruhe nach Mitternacht erlauben uns jedoch doch für einige Stunden ein wenig zu dösen. Am Morgen erreichen wir unser Ziel, ein kleiner Bahnhof mit einer Busverbindung in die umliegenden Dörfer und Städte. Wir stehen eine halbe Stunde brav in einer Schlage um unser Rückfahrticket ehrlich zu erstehen nur um zu erfahren, dass man von diesem Bahnhof keine Tickets reservieren kann. Unverrichteter Dinge gehen wir weiter mit einem überfüllten lokalen Bus in die nächste grössere Stadt um von dort in einem weiteren - jawohl richtig geraten - überfüllten Bus an den Strand von Arambol zu kommen. Für die letzten ca. 15km Luftlinie brauchen wir über 1½ Stunden. Dies ist der Zeitpunkt, wo wir unsere nette alte Transalp zum ersten Mal vermissen.
Arambol überzeugt uns nur wenig. Da es hier Nebensaison ist, sind die meisten Gästehäuser, Restaurants und Shops geschlossen und der Strand ziemlich dreckig. Wir entscheiden uns, am nächsten Tag weiterzugehen nach Panaji, die Hauptstadt der Provinz. Die ehemalige portugiesische Enklave hat sehr viel Charme. Eine gesunde Mischung von verfallenen und renovierten alten Bauten lassen die Stadt in unsere Fantasie in ein vergangenes Zeitalter zurückversetzen. In nächster Nähe von Panaji befindet sich Old Goa, die Stadt, die ursprünglich mal Hauptstadt der Region gewesen sein soll. Majestätische Kathedralen und Basiliken zeugen von vergangenen glorreichen Zeiten. Die Stadt wurde jedoch nach einer Malaria und Choleraepidemie aufgegeben und ins heutige Panaji verlegt. Aufschwung und Niedergang einer Zivilisation, auf unserer Reise haben wir dieses Phänomen häufig beobachten können.
Now things are happening in quick succession: In Mumbai, our next destination, we are preparing to ship our motorcycle. Our travel plans change once again - we have chosen flexibility as our constant travel companion. We spend the last few days in quiet, tropical Goa, south of Mumbai.
It is over 1,000 km from the desert city of Jaisalmer to the coastal city of Mumbai. We still remember our optimistic to naive timing, when we started our trip through India from Calcutta north over two months ago. We quickly realize that we will make more comfortable progress on this poorly traveled and well-maintained road than probably ever before. The first day of driving leads us largely through the desert, which is only sporadically interrupted by small collections of bushes and trees. The people here live mainly from livestock and the scarcely possible agriculture. It is not uncommon for large herds of perhaps 300 animals to cross the road. In the early afternoon we reach a small town with several comfortable guest houses. We are surprised to find that we can’t get a room in any of the five hotels where we inquire. They are telling us that it is now the wedding season and that it is not uncommon for a company to reserve an entire hotel. A little outside we finally find a place to stay overnight. The next morning we start early, as always when we are out on a motorcycle. Soon we reach the highway, we are making good progress, even though driving becomes a bit monotonous.
As soon as we get close to the sea, the climate changes: at a distance of about 100km, the brown and beige of the desert change to the green of the subtropics. A prime example of the versatility of the gigantic country of India, especially when we remember that less than three weeks ago we were still freezing in the Himalayas. We spend the night again about 200km north of Mumbai, so that we can drive into the megacity the next morning. Mumbai is an elongated city along the coast and we have to go across it to get to the center. In contrast to Calcutta or Delhi, there is no metro here that could relieve the roads and we only make slow progress on about 5-6 lane roads (we can't really determine how many lanes there are). The humid climate, the burning sun and the crowded streets push us to our limits. We need a full three hours from the outskirts to the center. When we arrive there, we are soaking wet from sweating. After we have found a place for ourselves and our motorcycle, we go to the office of the shipping agency in the afternoon of the same day to discuss how to proceed.
The advisors of the transportation company suggest not to ship to Iran but to Dubai. Due to the sanctions against Iran, there are only a few shipping companies that still ship to Iran. Accordingly, the risk is relatively high that our container could get stuck in Dubai, where all cargo to Iran is reloaded anyway. However, there is a ferry from Dubai to Iran and since the flight to Dubai will cost a fraction of that to Iran, this is probably a good alternative all in all.
We don't waste any time and one day later Simon drives to the outskirts of Mumbai to drop off our Transalp and some pieces of luggage for packing. The way back to the center, now without a motorcycle, means a 1½ hour train ride on a real Indian train. It is very charming to look at the passing landscape standing at the open door with the wind in your face. This drive through the outskirts corrects the image of the city of Mumbai a little: the center is green with beautiful old tree-lined avenues, the streets are relatively clean and the police and other security authorities are omnipresent, while the suburbs alternate between desolate prefabricated buildings and even more desolate slums and here, above all, poverty and devastating environmental pollution are omnipresent. In the center, the neglected street children and beggars in particular remind us of the paradox of the Indian boom.
The next day we take a leisurely stroll through the streets and in the evening we plunge into a new adventure: The night train to Goa, while we slowly chug south, we experience the Indian train life, which seems like its own little universe. There is the sleeper class, where there are beds (plank beds), 3 on top of each other. However, no one really cares about “Sleeper class” or “Wood class”, so in the end the whole floor is covered with sleeping bodies. You are never alone in India! The fans on the ceiling, the open windows and the slow calm after midnight allow us to doze off for a few hours anyway. In the morning we reach our destination, a small train station with a bus connection to the surrounding villages and towns. We stand in line for half an hour to buy our return ticket only to find out that you cannot reserve tickets from this train station. Unfinished business, we continue with an overcrowded local bus to the next bigger city, and from there we take another - yes, you guessed it right - overcrowded bus to the beach of Arambol. For the last 15km as the crow flies we need over 1½ hours. This is the time when we miss our nice old Transalp for the first time already.
Arambol doesn't convince us much. Since it is the off-season here, most of the guest houses, restaurants and shops are closed and the beach is quite dirty. We decide to continue to Panaji, the capital of the province, the next day. The former Portuguese enclave has a lot of charm. A healthy mix of dilapidated and renovated old buildings allow the city to be transported back to a bygone age in our imagination. In the immediate vicinity of Panaji is Old Goa, the city that is originally said to have been the capital of the region. Majestic cathedrals and basilicas bear witness to the glory days of the past. However, the city was abandoned after a malaria and cholera epidemic and moved to what is now Panaji. The rise and fall of a civilization - we have often seen this phenomenon on our journey.