28.09.2013
Osteuropa, die vierte und letzte Etappe unserer Reise, birgt einige unerwartet schöne Flecken. Istanbul lassen wir hinter uns und alles was dann kommt ist Europa. Auf den letzten 5‘000km unserer Reise bestätigt sich unsere Erfahrung nochmals aufs Neue: Spannende Länder, abwechslungsreiche Landschaften und die Unmöglichkeit alles in einen Topf zu schmeissen. Wir geniessen den Abschluss unserer Reise und das langsame Nachhause-Fahren.
Rückblick Simon
Unweigerlich kommen wir früher oder später nach Hause. Das waren wir uns sehr wohl bewusst. Noch offensichtlicher wurde es, als wir Bulgarien erreichten. Die Landschaft erinnerte an die Heimat, die Kultur auch schon fast, die Religion ebenso. Fehlte nur noch die Sprache. Spätestens als wir unseren ersten Kaffee in Österreich auf Deutsch bestellten war es um den letzten Unterschied geschehen. Rumänien war auf diesem Abschnitt für mich die grosse Überraschung. Die schön restaurierten mittelalterlichen Städte, die saftig grüne Landschaft und die kargen Gebirge bleiben mir sehr gut in Erinnerung. Allgemein kann man sagen, dass sich die Vorstellungen - oder besser Vorurteile - die ich von dieser Region hatte, nicht bewahrheitet haben. Besonders schön war es auch in Rumänien bei einer Familie übernachten zu dürfen. Die weiten Wälder, die Felder haben hier andere Dimensionen als man sie von der Schweiz kennt.
Eine sehr gute Erfahrung war es auch durch die Balkanländer fahren zu können, obwohl ich vor fünf Jahren schon mal mit dem Zug durch diese Region fuhr. Im Begriff Balkan zeigt sich schon schön die bereits angesprochene unangemessene Verallgemeinerung. Der schon fast orientalische Bazar von Sarajevo ist keine 200km von den touristischen Badestränden von Kroatien entfernt. Zu sehen, wie viele Völker und Kulturen auf so engem Raum hier leben, trug auch etwas dazu bei, die Vergangenheit ein wenig besser zu verstehen. Die Vergangenheit dieser Region besser zu verstehen, ist eine bleibende Erfahrung dieser Reise. Das gebe ich ja sehr ungern zu, aber die Investitionen der EU die in diese Länder fliessen scheinen doch einige Fortschritte in der Infrastruktur gebracht zu haben.
Die Natur in Slowenien ist schlicht überwältigend. Besonders die Sauberkeit der Gewässer stellt praktisch alles bisher Gesehene in den Schatten. Tiefblaue Seen und unglaublich klare Flüsse voller Fische neben schroffen Bergen die bereits den Rand der Alpen darstellen. Mit dem Beginn der Alpen war die Schweiz auch nicht mehr weit. Tatsächlich waren wir, als wir Slowenien verlassen hatten, bereits drei Tage später zurück in Bern. Zu Hause, könnte man sagen, je nachdem wie man das definiert. Wir haben uns in jeder fremden Kultur anpassen müssen, hier in der Schweiz wird es nicht anders sein.
Rückblick Joséphine
Denke ich an den letzten Monat zurück, der uns von Istanbul durch 7 Länder zurück in die Schweiz führte, rückt eine Erkenntnis in den Vordergrund: Osteuropa war überraschend. Wenn man in der Schweiz diese Region und insbesondere die Balkanregion charakterisiert, fasst man meist alle betreffenden Länder grosszügig zusammen – zu Unrecht, finde ich. Jedes der Länder ist einzigartig, die Kultur, Landschaften und die ganze Atmosphäre verändert sich mit jeder Grenzüberquerung. Besonders in Erinnerung bleiben wird mir die Aussicht auf die Stadt Sarajevo, deren umliegende Hügel übersät sind mit weissen Grabmalen. Der Krieg, so nah, geografisch und zeitlich gesehen, wurde mir hier erstmals so richtig bewusst.
Schockiert haben mich meine eigenen unbestimmten Bilder und Vorstellungen, die leise und völlig unbemerkt irgendwo in meinem Hinterkopf schlummerten, wenn Länder wie Rumänien oder Bosnien zur Sprache kamen. Ich wurde eines besseren belehrt und konnte mir in jedem Land meine Vorurteile abstauben lassen. Dies verdanken wir auch den vielen lieben Menschen, die uns an ihrem Leben teilhaben liessen.
Von den Bergen zum Meer, von Dörfern zu Städten, der letzte Monat war vielfältig. Besonders genossen habe ich die leuchtenden Farben, das nasse, sattgrüne Gras in Rumänien, das smaragdblaue Wasser in Kroatien neben den flammend roten und orangen Gräsern.
Auf der Fähre auf eine kroatische Insel, inmitten von vielen Touristen, überfiel mich eine erste Fernweh-Welle. Jetzt irgendwo in der Wildnis sein… Der Horizont so weit wie die Reise lang – ein Seufzer und gleich darauf ein Lachen, denn zu Ende war die Reise ja damals noch nicht. Seit diesem Augenblick hat sich meine leise Vermutung bestätigt, dass Fernweh nicht heilbar ist, im Gegenteil. Je mehr ich sehe, desto mehr zieht es mich auch wieder weg, in die Ferne. Die langsame Rückkehr, Land für Land, Kilometer um Kilometer, war einerseits sanft und schleichend, andererseits auch quälend: nie lag das Ende unserer Reise näher als in diesen Tagen.
Die Mischung der Gefühle, als ich zum ersten Mal wieder unsere Haustür aufschloss, ist kaum benennbar. Grosse Dankbarkeit, Freude, doch auch Wehmut und Befremdung. Für die nächste Zeit läuft es einmal umgekehrt: wir müssen uns nicht in fremde Kulturen einfinden, sondern unsere eigene wieder entdecken, ohne all die gemachten Erfahrungen zu vernachlässigen. Gelingt uns das, haben wir einen weiteren Schritt auf dem Weg zur wahren Kunst des Reisens geschafft.
Eastern Europe, the fourth and final part of our trip, holds some unexpectedly beautiful spots. We leave Istanbul behind and all that comes next is Europe. On the last 5,000km of our journey, our experience is confirmed again: Exciting countries, varied landscapes and the impossibility to lump everything into one pot. We enjoy the end of our trip and the slow drive home.
Simon looks back
We will inevitably come home sooner or later. This is a fact we were very well aware of. It became even more obvious when we reached Bulgaria. The landscape was reminiscent of home, the culture almost as well, as did the religion. The only thing missing was the language. At the latest when we ordered our first coffee in Austria in German, the last difference had vanished. Romania was the big surprise for me on this part of our journey. The beautifully restored medieval cities, the lush green landscape and the barren mountains are very well remembered. In general, one can say that the ideas - or rather prejudices - that I had about this region have not come true. It was especially nice to be able to stay with a family in Romania. The vast forests and fields here have different dimensions than we know them from Switzerland.
It was a very good experience to be able to drive through the Balkan countries, even though I already once took the train through this region five years ago. The term Balkan shows the inappropriate generalization already mentioned. The almost oriental bazaar of Sarajevo is less than 200km away from the tourist beaches of Croatia. Seeing how many peoples and cultures live here in such a small space also helped to understand the past a little better. Understanding the past of this region better is a lasting experience of this trip. I don't like to admit that, but the investments of the EU that are flowing into these countries seem to have brought some progress in the infrastructure.
The nature in Slovenia is simply overwhelming. The cleanliness of the water in particular dwarfs everything that has been seen so far. Deep blue lakes and incredibly clear rivers full of fish next to rugged mountains that already represent the edge of the Alps. With the beginning of the Alps, Switzerland wasn't far either. In fact, when we left Slovenia, we were back in Bern just three days later. At home, you could say, depending on how you define it. We had to adapt to every foreign culture, here in Switzerland, it won't be any different.
Josephine looks back
When I think back to last month, which took us from Istanbul through 7 countries back to Switzerland, one insight comes to the fore: Eastern Europe is surprising. If you characterize this region in Switzerland, and in particular the Balkan region, you usually sum up all the countries – in a wrong way, I think. In contrary, each of the countries is unique, the culture, landscapes and the whole atmosphere change with every border crossing. I will particularly remember the view of the city of Sarajevo, whose surrounding hills are littered with white tombs. The war, so close, geographically and temporally, has never been on my mind and I have now become aware of it.
I was shocked by my own vague images and ideas, which slumbered quietly and completely unnoticed somewhere in the back of my head when countries like Romania or Bosnia came up. I was taught better and was able to dust my prejudices in every country. We also owe this to the many dear people who let us participate in their lives.
From the mountains to the sea, from villages to cities, the last month has been diverse. I especially enjoyed the bright colors, the wet, lush green grass in Romania, the emerald blue water in Croatia, next to the flaming red and orange grasses.
On the ferry to a Croatian island, in the midst of many tourists, I felt the first wave of wanderlust popping up again. To be somewhere in the wilderness now... The horizon as wide as the journey - a sigh and immediately afterwards a laugh, because the journey was not even over then. Since then, my faint suspicion that wanderlust is incurable has been confirmed. It is rather the opposite: The more I see, the more it pulls me away again, into the distance. The slow return, country by country, kilometer by kilometer, was on the one hand gentle and creeping, on the other hand tormenting: the end of our journey was never closer than in these days.
The mixture of feelings when I unlocked our front door for the first time can hardly be named. Great gratitude, joy, but also sadness and alienation. For the near future it will work the other way round: we don't have to find our way into foreign cultures, but rather rediscover our own without neglecting all the experiences we have made. If we succeed, we will have taken another step on the way to the true art of traveling.