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15.10.2015

Rückblick Nord Amerika

Nordamerika per Motorrad: 23‘000km von Halifax, Nova Scotia in Kanada nach Panama City. 23‘000km nur kurz zum Vergleich: Das ist in etwa die selbe Distanz wie von Bern nach Peking und wieder zurück, nur so um eine Relation herzustellen. Acht unterschiedliche Länder, zwei Sprachkreise, unterschiedlichste Klimazonen und nur eine Konstante: Wir und unsere Transalp.

Simon

Für mich ist diese Reise so quasi ein Kindertraum. Das war der Grund, warum ich gelernt habe Motorrad zu fahren.

Für mich ist diese Reise so quasi ein Kindertraum. Das war der Grund, warum ich gelernt habe Motorrad zu fahren. Die Realität des Lebens tendiert meistens dazu, solche Träume umzuschreiben, aber selten gehen sie in Vergessenheit. Als wir aus Halifax rausfuhren realisierte ich erst so richtig, wie ein Traum wahr wird: Neun Monate unterwegs und alles noch vor uns. Die Hafenprozedur ging so einfach, ich war schon ein bisschen enttäuscht, wir sprechen die Sprache und die Kanadier sind sowieso hilfsbereit. Wenn wir schon eine solche Abenteuerreise machen, ist es quasi schon eine Selbstverständlichkeit, dass es immer wieder Schwierigkeiten geben wird. Nicht so in Kanada, jedenfalls nicht auf institutioneller Ebene. Die wahren Schwierigkeiten bot uns die Natur. Schneeflocken im Regen bereits am ersten Tag als wir einen Ausflug von Halifax aus machten, das war schon starker Tabak. In Neufundland wurde es natürlich auch nicht besser. Nicht mal die Wikinger haben diese Insel überlebt. Von New Brunswick an werden die Temperaturen zwar besser dafür kommen die Mücken, eine Plage biblischen Ausmasses. Das waren die Herausforderungen zu Beginn unserer Reise.

Unser Zelt aufstellen, wo auch immer wir wollen, Platz so weit das Auge reicht, unberührte Natur, zu wissen, dass wenn wir jetzt in Richtung Norden laufen würden, wir wahrscheinlich niemandem begegnen würden, bis wir auf den anderen Seite in Russland wieder rauskommen, dass sind Aspekte, die die Reise durch Kanada zu einem einmaligen Erlebnis macht.

Während der Planung machten mir die Grenzübergänge in Zentralamerika immer wieder Sorgen. Ich habe über die zwischenstaatlichen Beziehungen nachgeforscht, in Reiseforen nach Erlebnisberichten gesucht und gefunden habe ich immer wieder Geschichten von komplizierten Grenzen, undurchschaubaren Prozeduren, Korruption und anderen Unschönheiten. Klar in der Realität haben wir das häufig auch so erlebt, aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass der Grenzübergang von Kanada in die USA am längsten von allen bisher dauern würde. Die Situation war so abstrus und weitaus frustrierender als alle andere Übergänge. Die institutionelle Kriminalisierung aller Ausländer, die offensichtliche Botschaft, dass man hier eigentlich nicht willkommen ist, haben wir laut und klar verstanden. Glücklicherweise war die Realität im Lande nicht so, wie es der erste Eindruck vermitteln liess.

Highlight hier war natürlich klar San Francisco. Unser ultimatives Couchsurfing Erlebnis auf einem Hausboot, ein Hippie-Original als Gastgeber, unter der Goldengate Bridge durchzusegeln, um die Insel von Alcatraz, all das wurde uns schlicht und einfach geschenkt. Daran denke ich immer noch sehr gerne zurück.

Mit dem Übergang nach Mexiko kommt auch der Übergang in einen neuen Kultur- und Sprachkreis. Kartellkriege, Korruption, Strassenkriminalität, von dem allem bekommen wir praktisch gar nichts mit. Aber dennoch brodelt es unter der Oberfläche: Strassenblockade von Bauern, die sozialpolitische Forderungen durchsetzen wollen, bis auf die Zähne bewaffnete Polizei, ganze Militärkonvois kreuzen die Strassen, alles Anzeichen auf eine Konfrontation zwischen unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen. Den Auswanderungsdruck in Richtung Norden können wir bereits nach der ersten halben Stunde in Mexiko verstehen. Insofern ist auch ein Zusammenhang der Probleme in Mexiko beim nördlichen Nachbarn zu suchen und zu finden.

Für Panama ist der Panamakanal Fluch und Segen.

Die südlichen Nachbarn Guatemala, Honduras und Nicaragua haben einen noch tieferen Lebensstandard. Kommunistische Revolutionen, Militärjuntas und Konterrevolutionen, Einflussnahme aus den USA, wer hat da noch den Durchblick. Ambivalente Gegenbeispiele dazu sind Costa Rica und Panama. Costa Rica hat in der Vergangenheit vieles richtig gemacht. Seit über 50 Jahren herrscht dort eine stabile Demokratie, eine Ausnahmeerscheinung. Sich selber als neutral bezeichnend, haben sie aber doch eine nicht unerhebliche Amerikanische Militärbasis auf ihrem Hoheitsgebiet. Auch kulturell ist schwer zu verkennen, dass eine starke Amerikanisierung in Gange ist. Für Panama ist der Panamakanal Fluch und Segen: Seit der Unabhängigkeit wurde das Land über die Hälfte der Zeit mehr oder weniger direkt von den USA aus verwaltet. Erst 1999 zog sich die US-Armee aus der Panamakanalzone zurück, welche sie faktisch besetzt hatte seit der Vollendung.

Durch diese Länder reisend hat sich mein Horizont als ewiger Student der Zeitgeschichte (ewig hier im Sinne von, dass man nie ausgelernt hat) stark erweitert. Sehen ist lernen. So bin ich entsprechend gespannt, was die Weiterreise durch Südamerika bringen wird. Eines jedenfalls ist klar, unser grünes Eselchen ist guten Mutes, wir beide auch.

Josephine

Das Gefühl von Überraschtsein, Beschenktwerden und von uneigennütziger Freundlichkeit lässt sich gut als Grundstimmung meiner Erinnerung an diese bisherige Reise zusammenfassen.

Wortlos stand sie plötzlich neben mir, als wir schon abfahrbereit waren: Die ältere, grossmütterlich-sanfte Hoteldame, in der Hand eine Thermoskanne voller Kaffee und zwei Plastikbecher. So verweilten wir also in voller Montur am stark befahrenen Strassenrand neben unserem vollbepackten Motorrad und schlürften einen herrlich süssen, heissen Kaffee. Das Gefühl von Überraschtsein, Beschenktwerden und von uneigennütziger Freundlichkeit lässt sich gut als Grundstimmung meiner Erinnerung an diese bisherige Reise zusammenfassen. Ob in Kanada, Mexiko oder Panama - wir haben einige fantastische Begegnungen und Bekanntschaften mit wunderbaren Menschen gemacht.

Die Bilder meiner Erinnerung werden aber vor allem von der Natur dominiert: Die verregnete Ankunft in Halifax, der Geruch vom Neuen in der Luft und ein Flattern im Herz. Die raue Schönheit von Neufundland und mittendrin wir mit unserem Zelt. Die Weite Kanadas, von Ost nach West, durch Hügel, Prärie und Berge. Die glasklaren Seen mit ihren verzaubernden Spiegelungen der Rocky Mountains. Dann die Ankunft am Pazifik, der während vielen Kilometern durch die USA unser ständiger Begleiter wurde. Der Übergang nach Mexiko, ein wunderbares Land und Eingang zu Zentralamerika. Vielfältiger hätten wir es uns nicht wünschen können: Wüste, Oasen, Meer, Berge, Vulkane, Nadel- und Regen- und Nebelwälder. Viele Tiere, die ich noch nie vorher in freier Wildbahn gesehen habe, kreuzten unseren Weg (oder auch nur unseren Horizont): Elche, Bären, Wale, viele farbige Vögel, Aguptis (kleine Nager in Zentralamerika), verschiedene Affen, Tukane, Meeresschildkröten und Rochen. Wir schliefen auf Klippen, in Wäldern, auf Campingplätzen, im Nationalpark, auf einer ehemaligen Mülledeponie, auf einem Hausboot, auf einem Segelboot, in Bambushütten, auf Inseln, in Häusern von Fremden und Freunden, in zahlreichen Hotels und Dormitories. Wir wachten in 8 neuen Ländern auf und waren jedesmal erstaunt, wie unterschiedlich doch alle sind, auch wenn es viele Ähnlichkeiten - besonders in Zentralamerika - gibt.

Wieder ist mir bewusst geworden, dass es vor allem die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte der Länder sind, die ich sehr spannend finde und die mich bewegen. Wie geht es der indigenen Bevölkerung eines Landes? Wie ist der Reichtum innerhalb eines Landes verteilt? Wer migriert wohin und warum? Wo treffen sich Tradition und Moderne? Wie steht es um die Arbeitsrechte, gehen die Kinder zur Schule und welche Rolle spielen die Älteren in einer Gesellschaft? Und wie hängt das alles mit uns in Europa und unserem eigenen Lebensstil zusammen? Gespräche mit lokalen Leuten wie auch mit Touristen und entsprechende Literatur haben mich inspiriert, einigen dieser Fragen tiefer auf den Grund zu gehen.

Je länger wir reisen, desto mehr Teile dieses endlosen Puzzles der Globalisierung können wir zusammensetzen. Sicher werden auch in Südamerika einige davon aufspüren. Ich bin gespannt!

Looking back… on North America

North America by motorcycle: 23,000km from Halifax, Nova Scotia in Canada to Panama City. 23,000km only briefly for comparison: That is roughly the same distance as from Bern to Beijing and back again. Eight different countries, at least two languages, different climates and only one constant: Us and our Transalp.

Simon

For me this trip is kind of a childhood dream. That was why I learned to ride a motorcycle in the first place.

For me this trip is kind of a childhood dream. That was why I learned to ride a motorcycle in the first place. Most of the time, the reality of life tends to rewrite such dreams, but rarely do they go into oblivion. When we drove out of the warehouse in Halifax, I only really realized how a dream comes true: nine months on the road and everything still ahead of us. The port procedure was so easy, I was even a bit disappointed, but it was clear: we speak the language and the Canadians are helpful anyway. If we go on such an adventure trip, there will always be difficulties. Not so in Canada, at least not at the institutional level. Nature presented us with the real difficulties. Snowflakes in the rain on the first day when we went on a trip outside of Halifax, that was a rough start. In Newfoundland, of course, things didn't get any better. Not even the Vikings survived this island. From New Brunswick on the temperatures got better but the mosquitoes came, a plague of biblical proportions. Those were the challenges at the beginning of our journey.

Pitching our tent wherever we want, space as far as the eye can see, untouched nature, knowing that if we were to walk north now, we probably wouldn't run into anyone until we would get out on the other side in Russia, these are aspects that make a trip through Canada a unique and worthwhile experience.

During the planning, the border crossings in Central America always worried me. I researched interstate relations, searched travel forums for experience reports and kept finding stories of complicated borders, obscure procedures, corruption and other unpleasantnesses. In reality, of course, we have often experienced it that way, but I could never have imagined that the border crossing from Canada to the USA would take the longest of all. The situation was so absurd and far more frustrating than any other transition. We understood loud and clear the institutional criminalization of all foreigners, the obvious message that one is actually not welcome here. Fortunately, the reality in the country was not as the first impression would suggest.

Of course, the highlight here was San Francisco. Our ultimate couch surfing experience on a houseboat, a hippie original as host, to sail under the Golden Gate Bridge to the island of Alcatraz, all of this was just given to us as a gift. I still like to think back to that.

With the transition to Mexico came the transition to a new culture and language area. Cartel wars, corruption, street crime, we hardly noticed any of this. But still it simmers beneath the surface: road blockade by farmers who want to enforce socio-political demands, police armed to the teeth, entire military convoys crossed the streets, all signs of a confrontation between different population groups. We were already able to understand the pressure to emigrate northwards after the first half hour in Mexico. In this respect, a connection between the problems in Mexico is to be sought and found in the northern neighbor.

For Panama, the Panama Canal is a blessing and a curse.

The southern neighbors Guatemala, Honduras and Nicaragua have an even lower standard of living. Communist revolutions, military juntas and counter-revolutions, influence from the USA, it is so difficult to keep the overview. Ambivalent counter-examples are Costa Rica and Panama. Costa Rica has done a lot right in the past. For over 50 years there has been a stable democracy, an exception. Describing themselves as neutral, they have a not inconsiderable American military base on their territory. Culturally, too, it is difficult to fail to recognize that a strong Americanization is in progress. For Panama, the Panama Canal is a blessing and a curse: since independence, the country has been more or less directly administered from the United States for more than half the time. It was not until 1999 that the US Army withdrew from the Panama Canal Zone, which it had effectively occupied since its completion.

Traveling through these countries, my horizons as an eternal student of contemporary history (eternal here in the sense of never cease to learn) have expanded greatly. Seeing is learning. So I'm excited to see what the onward journey through South America will bring. In any case, one thing is clear, our little green donkey is in good spirits, as are both of us.

Josephine

The feeling of being surprised, being given gifts, and unselfish friendliness can be summarized as the basic mood of my memory of this trip so far.

Suddenly she stood next to me without a word when we were ready to leave: the elderly, grandmotherly, gentle hotel lady with a thermos full of coffee and two plastic cups in her hand. So we stayed in full gear on the busy roadside next to our fully packed motorcycle and sipped a wonderfully sweet, hot coffee. The feeling of being surprised, being given gifts, and unselfish friendliness can be summarized as the basic mood of my memory of this trip so far. Whether in Canada, Mexico or Panama - we have made some fantastic encounters and acquaintances with wonderful people.

The images in my memory are mainly dominated by nature: the rainy arrival in Halifax, the smell of something new in the air and a flutter in the heart. The rough beauty of Newfoundland and in the middle of it all us with our tent. The vastness of Canada, from east to west, through hills, prairies and mountains. The crystal clear lakes with their enchanting reflections of the Rocky Mountains. Then the arrival at the Pacific, which became our constant companion for many kilometers through the USA. The transition to Mexico, a wonderful country and entrance to Central America. We could not have wished for more diversity: deserts, oases, sea, mountains, volcanoes, coniferous-, rain- and cloud forests. Many animals that I have never seen before in the wild crossed our path (or just our horizon): moose, bears, whales, many colorful birds, aguptis (small rodents in Central America), various monkeys, toucans, sea turtles and Rays. We slept on cliffs, in forests, on campsites, in the national park, on a former garbage dump, on a houseboat, on a sailing boat, in bamboo huts, on islands, in the houses of strangers and friends, in numerous hotels and dormitories. We woke up in 8 new countries and were amazed every time how different they all are, even if there are many similarities - especially in Central America.

Again I realized that it is above all the social and societal aspects of the countries that I find very exciting and that move me. How is a country's indigenous population doing? How is wealth distributed within a country? Who is migrating where and why? Where do tradition and modernity meet? What about labor rights, do children go to school and what role do older people play in a society? And how does it all relate to us in Europe and our own lifestyle? Conversations with local people as well as tourists and related literature have inspired me to dig deeper into some of these questions.

The longer we travel, the more pieces of this endless puzzle of globalization we can put together. Surely some of them we will also be able to track down in South America. I'm curious!

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